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ANTIQUARISCHE ERINNERUNG

Norbert Göttler
ANTIQUARISCHE ERINNERUNG

„Haben Sie ‚was Jungfräuliches auf Lager?“ Josefa Mäusle zuckte derart zusammen, dass der schwere Goldschmuck an ihren schon bedrohlich ausgedehnten Ohrläppchen ins Baumeln kam. Der Herr war von hinten auf sie zugekommen, hatte sich verstohlen umgeblickt und erst, als er sich ungestört wähnte, aufgeregt diese Frage in ihr Ohr gezischelt. Josefa Mäusle musterte misstrauisch den kleinen Mann mit Hut und hellem Trenchcoat, schaute sich ebenfalls nach unerwünschten Zuhörern um und deutete nach einigem Zögern zur Hintertüre. Ohne auch nur ein Wort zu verlieren, öffnete sie den Verschlag und trippelte einen engen, dunklen Flur entlang, den ihr gewaltiger Körper fast ganz ausfüllte. „Machen Sie die Türe hinter sich zu!“ murmelte sie verheißungsvoll. Der Mann, der ihr dicht gefolgt war, gehorchte schweigend. Nach wenigen Schritten standen sie vor einer verschlossenen Holztüre und die alte Dame begann in ihrer Tasche zu kramen. „Aber Vorsicht beim Anfassen!“ krächzte sie, noch ehe sie den verrosteten Schlüssel gefunden hatte. „Können Sie überhaupt zahlen?“ Der Mann nickte unmerklich, und endlich öffnete sich knarrend das Schloss. Sie traten ein, und die Augen des kleinen Mannes bekamen einen leuchtenden Glanz. Auf einer Holzpritsche vor ihnen lag sie – eine riesige Kiste voller alter Bücher, Rücken an Rücken, das verführerische Odeur von vergilbtem Papier und brüchigem Leder ausstrahlend! Die Antiquarin hatte nicht zuviel versprochen, das erkannte der fachmännische Blick des Mannes auf den ersten Blick. Jungfräuliche, also vom Personal des Antiquariats noch nicht begutachtete und geschätzte Ware war es zudem. Vermutlich ein eben eingetroffener Nachlass. Eine solchermaßen unerforschte Schatzkiste ist keineswegs ungefährlich. Sie ist vielmehr geeignet, den ohnehin labilen Blutdruck eines passionierten Sammlers bedrohlich in die Höhe zu treiben, hofft dieser doch stets, unter dem vielen Plunder bibliophile Kostbarkeiten zu entdecken und – Balsam jedes Sammlerherzens – unerkannt, also zu einem Spottpreis den gestrengen Augen des Antiquars entführen zu können. Häufig ist das nicht, aber es kommt vor. Von solch einem Ereignis zehrt der Sammler ein Leben lang, auch lässt er seine Mitmenschen ausgiebig daran teilhaben – der scheue Voyeur im Sammler entpuppt sich dann als hemmungsloser Exhibitionist! „Ich lasse euch jetzt alleine“, wisperte Frau Mäusle verständnisvoll, und die Augen des Herrn im hellen Trenchcoat glänzten dankbar.

Josefa Mäusle führte das kleine, aber gediegene Antiquariat seit nunmehr siebenundzwanzig Jahren. Genauer gesagt, es gehörte ihr nur zur Hälfte. Zusammen mit ihrer ebenfalls unverheirateten Schwester Wilhelmine hatte sie den Laden von ihren Eltern übernommen. Inhabern von Antiquariaten geht bisweilen der Ruf voraus, einer gewissen Skurrilität nicht zu entbehren. Das Geschwisterpaar Mäusle jedenfalls war nicht dazu in der Lage, dieses Vorurteil zu entkräften. Durch eine penible, um nicht zu sagen: durchtriebene Geschäftspolitik zu reichlich Wohlstand gekommen, pflegten die beiden ältlichen Damen eine gewisse Distanz zu allen Modetorheiten der Gegenwart, kleideten sich nach Art (weiß Gott, möglicherweise auch noch mit den Sachen) ihrer verstorbenen Mutter und entwickelten im Lauf der Zeit eine erfolgreiche Symbiose aus altjüngferlicher Gediegenheit und beschlagenem Geschäftssinn. Agatha Christie jedenfalls hätte ihre helle Freude an den beiden gehabt! So konnte es zum Beispiel vorkommen, dass Josefa – in diesen Dingen eher bewandert als ihre Schwester – mit einem uralten, unsäglich klapprigen Damenfahrrad vor dem nobelsten Auktionshaus der Stadt vorfuhr, eine Zeitlang missmutig den Lauf der Versteigerung über den Rand ihrer Goldbrille verfolgte, um schließlich aus einer schäbigen Handtasche einen dicken Pack mit Tausendern zu ziehen, sie dem verblüfften Auktionator auf den Tisch zu knallen und erhobenen Angesichtes und die konsternierten Mitbieter ignorierend, siegreich die Konkurrenz zu verlassen. Die dergestalt erworbene Kostbarkeit umwickelte sie mehrfach mit altem Zeitungspapier, klemmte sie in den Gepäckträger ihres Velozipeds und radelte davon. Niemals investierte die alte Dame ihr Geld umsonst, ihr feines Gespür hatte sie bisher noch nicht im Stich gelassen.

Im Antiquariat selbst herrschte unter den Schwestern eine strenge Arbeitsteilung. Während Wilhelmine im Hauptraum des Ladens die Alltagskundschaft empfing, um sie zu entsprechenden Regalen zu weisen oder ihr indigniert die Unerfüllbarkeit eines Wunsches vor Augen zu führen, wachte Josefa in einem Hinterzimmer über das Allerheiligste ihrer Sammlung. Goldbedruckte Schweinslederbände glänzten da aus den Vitrinen, brüchige Pergamente, Handschriften, an den Wänden hingen kolorierte Kupferstiche und Holzschnitte. In dieses Nebenzimmer wurde nur Stammkundschaft vorgelassen und so manchem allzu Neugierigen war mit einer barschen Bemerkung schon die Tür vor der Nase zugeschlagen worden. Die Arbeitsteilung der beiden Damen, über Jahrzehnte eingespielt, funktionierte auch in den Niederungen antiquarischen Geschäftsgebarens reibungs- und wortlos. So war es keine Seltenheit, dass Wilhelmine im Hauptraum einem Kunden den außergewöhnlich hohen Preis eines Werkes händeringend und wehklagend durch dessen absolut seltenes Auftreten zu erklären versuchte, während ihre Schwester zur gleichen Zeit im Nebenraum einem telefonischen Anbieter kühl versicherte, das betreffende Buch stehe mindestens siebenmal in ihrem Laden, sei absolut unverkäuflich und infolgedessen keine zwanzig Euro wert!

Eines Morgens betrat ein alter Mann den Laden. Wilhelmine Mäusle stand wie an jedem Tag vor ihrem Stehpult und notierte mit einem Bleistift den Preis auf das Vorsatzpapier eingegangener Buchbestände. Als die altmodische Ladenglocke anschlug, hob sie nur kurz die Augen, stutzte dann aber doch, als sie die äußere Erscheinung des vermeintlichen Kunden erblickte. Er war von hagerer Gestalt, ging leicht gebeugt und machte insgesamt einen heruntergekommenen Eindruck. Die Hosenbeine des abgetragenen Anzugs schlotterten beträchtlich und gaben an den Knöcheln altes, vielfach geflicktes Schuhwerk preis. Der ungewaschene Hemdkragen wurde von keiner Krawatte zusammengehalten. Wilhelmine runzelte die Stirn und neigte den Kopf, um besser über den Rand ihrer Lesebrille blicken zu können. Trotz seines ungepflegten Äußeren schien es sich nicht um einen Stadtstreicher zu handeln, wie sie zunächst vermutet hatte. Zwar fiel dem Mann das schlohweiße Haar strähnig über die Stirn, aber die wachen Augen deuteten an, dass der Mann bessere Tage gesehen haben musste. Als er die Türe hinter sich schloss, fiel ihr Blick auf die feingliedrigen, schlanken Hände des Fremden. „Sie wünschen, bitte?“ Mit dieser resoluten Anrede stellte sich ihm Wilhelmine in den Weg. Der Fremde zögerte einen Augenblick und sagte dann mit leiser und ein wenig fremdländisch klingender Stimme: „Wenn es Ihnen recht ist, möchte ich mich nur ein wenig umsehen.“ Das Gesicht der Antiquarin zeigte zwar deutlich, dass sie von derlei Kundschaft wenig begeistert war, doch erhob sie keine Einwände und wandte sich unwillig ihrem Stehpult zu. Aus den Augenwinkeln aber beobachtete sie misstrauisch den Alten, der unsicher an eines der Regale getreten war und mit seinen Augen systematisch die Buchreihen abtastete. Zur nicht geringen Überraschung der Antiquarin war der Mann zuerst auf die Abteilung mit den philosophischen Werken zugegangen. Um die Titel auf den Buchrücken besser entziffern zu können, musste er seinen Kopf seitlich geneigt halten, was ihm ein vogelartiges Aussehen verlieh. Lautlos bewegte er seine Lippen. Nach etwa zwanzig Minuten hielt er erstmals in seinem Tun inne, streckte sich und nahm einen schmalen Band aus dem Regal. Fast liebevoll schlug er den Einband auf, blätterte hin und her, bis sein Blick auf dem Exlibris hängen blieb, das auf der Innenseite des Umschlagdeckels angebracht war. Lange waren seine Augen auf dieses kleine, graphisch gestaltete Namensschildchen gerichtet. Schließlich stellte er das Buch wieder auf seinen Platz zurück, zog ein schmutziges Taschentuch hervor und schnäuzte sich vernehmlich. Das Gesicht des Fremden konnte Wilhelmine Mäusle nicht erkennen. Noch mehrmals wiederholte sich dieser Vorgang, ehe er nach einer guten Stunde das Geschäft verließ, ohne etwas gekauft zu haben. Besonders lange hatte sich der Sonderling an der Ecke mit Kinder- und Jugendbüchern aufgehalten. „Na, endlich“, dachte sich Wilhelmine im Stillen, und ließ einen Moment frische Luft zur Ladentüre herein, da sie immer noch den etwas modrigen Geruch des Alten wahrzunehmen glaubte.

Wilhelmine Mäusle, die Ältere der beiden Antiquariats-Besitzerinnen, hatte den Vorfall im Grunde schon vergessen, als nach wenigen Tagen der Mann in gleicher Aufmachung wieder den Laden betrat, nunmehr zielstrebig zu den Regalen schritt, den einen oder anderen Band herunterangelte und mit starrem Blick darin blätterte. Wieder kaufte er nichts, grüßte schüchtern und ging. Die Antiquarin aber, nun endgültig misstrauisch geworden, hatte ihn von ihrem Stehpult aus die ganze Zeit beobachtet und sich einige der Bücher eingeprägt, die die Aufmerksamkeit des seltsamen Besuchers erregt hatten. Kaum war das Scheppern der Ladenglocke verklungen, eilte sie zum Regal und suchte die Bände zusammen. Sie erkannte mit geschultem Auge, dass es sich bei den Büchern nicht um besonders wertvolle Antiquitäten, sondern um Alltagsware aus der Vorkriegszeit handelte. Ein Diebstahl war also kaum zu befürchten. Was fesselte den alten Mann gerade an diesen Büchern? Auffallend war allein, dass alle Bände, die sie jetzt sorgfältig an ihren angestammten Platz zurückstellte, mit einem schlichten Exlibris ausgestattet waren, die zwei ineinander verschlungene Schlangen und die Initialen F.S. zeigten. Die Antiquarin zuckte verständnislos mit den Schultern, hielt es aber doch für angebracht, sich mit ihrer jüngeren Schwester zu beraten. Bei einer Tasse Tee beschlossen die beiden, bei nächster Gelegenheit in die Offensive zu gehen.

Lange mussten sie nicht warten. Schon Tags darauf trat der Alte wiederum durch die Eingangstüre und versuchte sich unbemerkt am Stehpult von Wilhelmine Mäusle vorbei zu schleichen. Die aber hatte ein wachsames Auge und pflanzte sich in voller Körpergröße vor dem hageren Männchen auf, sodass dieses erbleichte. Gleichzeitig verließ auch Josefa ihre Klause und eilte zum Ort des Geschehens. „Sie sind nun schon zum dritten Mal hier, können wir Ihnen denn nicht irgendwie behilflich sein?“ eröffnete Wilhelmine das Verhör. Der Mann, auf dessen eingefallenen Wangen ein mehrtägiger grauer Bart spross, suchte sich der unbequemen Umklammerung zu entziehen. „Nein, danke, ich möchte mich nur ein wenig umsehen“, flüsterte er tonlos. „Damit hat es nun ein Ende“, sagte Josefa in bestimmtem Ton, „auf der Stelle erklären Sie, was Sie bei uns suchen. Andernfalls verlassen Sie bitte den Laden!“ „Ich…ich interessiere mich für ältere Bücher…“ „Das haben wir bemerkt“, entgegnete Wilhelmine, „Sie suchen Bücher mit einem ganz bestimmten Exlibris.“ Der Mann zitterte ein wenig und presste seine farblosen Lippen aufeinander. „Das besagte Exlibris trägt die Buchstaben F.S.“ Josefa kreuzte siegesgewiss die Arme. „Nun gut, vielleicht…“, der Mann drehte und wendete sich, „ich bin auf der Suche nach diesen Büchern. Mich interessiert ihr ehemaliger Besitzer.“ „Mein Lieber, diese Bücher sind ein halbes Jahrhundert alt,“ Josefa schüttelte den Kopf, dass ihre Ohrringe klimperten, „das läßt sich nie mehr feststellen, wem das Zeug gehört hat. Was liegt Ihnen denn so daran?“ „Sie wissen also nicht, wem die Bücher gehört haben?“ „Mein Gott, sollten wir von all diesen Büchern ihren Vorbesitzer kennen?“ Josefa blickte ungeduldig zur Decke, „Vielleicht ein Student, der sein Studium an den Nagel gehängt hat, um etwas Anständigeres zu lernen als Philosophie! Oder ein alter Kauz, dessen Bibliothek von den Erben schleunigst verhökert worden ist! Das ist halt auch unsere Kundschaft.“ Wilhelmine fiel ihr ins Wort. „Oder irgendein Multimillionär, der in seiner Villa keinen Platz mehr für solchen Plunder hat! Wie dem auch sei – es lässt sich nicht mehr feststellen, und damit basta!“ Nachdenklich schüttelte der alte Mann den Kopf. „Ich darf mir ihre Bücher also nicht mehr weiter ansehen?“ murmelte er leise. „Nein, es sei denn, Sie können sich endlich zu einem Kauf entschließen. Wir sind schließlich keine Leihbibliothek!“ Und mit einem Blick auf seine zerschlissene Kleidung fügte Wilhelmine hinzu: „Und auch keine öffentliche Wärmestube!“ Sie war jetzt fest entschlossen, die Angelegenheit zu einem Ende zu bringen, waren doch inzwischen mehrere Kunden in den Laden getreten und hörten mit halbem Ohr dem Streitgespräch zu. „Nun gut,“ sagte der Mann mit leiser Stimme, „ich habe mir zwar leider noch keinen endgültigen Überblick verschaffen können, aber nach meiner Schätzung haben sie etwa dreißig Bücher mit dem Schlangen-Exlibris in Ihren Regalen stehen. Ich möchte sie kaufen. Packen Sie sie zusammen. Ich zahle je Buch fünfhundert Euro.“ Josefa Mäusle hielt einen Moment den Atem an und starrte auf ihre Schwester, die ebenfalls keine Miene verzog. Dann näherte sie sich langsam dem Fremden. Ihre Augen funkelten hinter schmalen Schlitzen. „Sagten Sie fünfhundert Euro, guter Mann?“ „Ich sagte fünfhundert Euro.“ „Meinen Sie das im Ernst oder wollen Sie Ihren Schabernack mit uns treiben?“ „Glauben Sie mir, es ist mir nicht zum Spaßen zumute.“ „Sie wollen viel Geld ausgeben. Aber wie Sie wollen. Jetzt die entscheidende Frage: Dreißig Bücher á fünfhundert Euro macht … fünfzehntausend Euro. Wollen Sie uns diese Summe in bar bezahlen?“ Der Mann schüttelte unmerklich den Kopf. „Kein Mensch läuft mit einer solchen Summe in der Gegend herum. Ich werde Ihnen einen Scheck…“ Josefas Miene nahm einen triumphierenden Zug an. Ihr höhnisches Lachen unterbrach jäh den Satz des alten Mannes, der betroffen verstummte. „Na, da haben wir es ja! Fünfzehntausend Euro will er uns zahlen! Du scheinst ja ein reicher Pinkel zu sein? Und wie willst du es bezahlen? Mit Scheck! Dass ich nicht lache! Einen Scheck! So wie du daherkommst! Für solche Betrügereien solltest du dir Dümmere suchen! Und jetzt hinaus mit dir, ehe ich die Polizei rufe! Und lass dich hier ja nicht wieder blicken, hörst du!!“ Dass eine solche Rede keinen Widerspruch duldete, musste jedem einleuchten, und so wendete sich der alte Mann langsam, aber gehorsam der Ladentüre zu, die von Wilhelmine bereits sperrangelweit offen gehalten wurde. Die beiden Damen achteten nicht auf den merkwürdigen Blick des alten Mannes. Für sie war diese leidige Angelegenheit erledigt.

„Haben Sie Bücher mit solchem Exlibris?“ Josefa Mäusle blickte überrascht auf und sah zwei sorgfältig gekleidete Herren mittleren Alters vor ihrem Ladentisch. Einer von ihnen hielt ihr ein Exlibris vor die Nase, das zwei Schlangen und die Initialen F.S. zeigte. Da seit der Angelegenheit mit dem Alten schon eine Woche vergangen war, stutzte Josefa einen Moment, erinnerte sich dann aber rasch und sichtlich unangenehm berührt. Was sollte dieser Hokuspokus? Was fanden sie nur alle an diesem antiquarisch völlig unwichtigen Plunder? „Ich denke, dass ich so etwas schon gesehen habe. Vielleicht finde ich ein oder zwei Bücher mit dem Exlibris. Wollen Sie sie kaufen?“ „Sie haben exakt zweiunddreißig Bände dieser Art“, antwortete der eine der Männer streng, „im übrigen sind wir weder Sammler noch Käufer.“ Josefa Mäusle runzelte misstrauisch die Stirn. „Sondern?“ „Ich bin Staatsanwalt Blum, und das hier ist Rechtsanwalt Dübel, Vertreter des amerikanischen Multimillionärs Frank Steinberg, der vor wenigen Tagen ihr Antiquariat aufgesucht hat.“ „Meinen Laden? Das muss ein Irrtum sein. Hier war kein amerikanischer Millionär.“ „Nein?“ Der Rechtsanwalt hob grinsend eine Photographie in die Höhe, die zweifelsohne den heruntergekommenen Alten von letzter Woche zeigte. Josefa Mäusle stöhnte auf. „Der?“ „In der Tat. Grämen Sie sich nicht, Sie sind nicht die erste, die sich von seinem Äußeren täuschen ließ. Mein Mandant hat nur mehr einen Wunsch. Er möchte sich die Bibliothek seiner Jugendzeit in Deutschland wieder aufbauen. Sie wurde in alle Winde zerstreut, nachdem seine Familie Hals über Kopf emigrieren musste. Er reist von Stadt zu Stadt, von Antiquariat zu Antiquariat. Fast überall wird er fündig. Einmal nur ein Heft, dann wieder ganze Stöße Bücher. Er sammelt wie ein Besessener. Wie Sie ja selbst erlebt haben, ist er bereit, jeden Preis für sein Anliegen auszugeben. Der Scheck über fünfzehntausend Euro wäre natürlich gedeckt gewesen, sie hätten auch das Doppelte verlangen können. Aber Sie wollten ja nicht.“ Josefa Mäusle schluckte. „Jetzt ist es leider zu spät. Ich bitte Sie, stellen Sie die Bücher zusammen, ich lasse sie dann von einem Boten holen. Kommen Sie, Herr Rechtsanwalt, wir müssen auch noch die anderen Antiquariate der Stadt aufsuchen. Wir haben noch einiges vor uns…“